Anschließend geht es weiter zur Tempelanlage. Oben angekommen gehen wir noch ein klein bisschen durch die Anlage. Wir trinken noch einen Tao Chai und dann sage ich zu Gerd und Chris, „Leute nun muß ich los, sonst wird es zu spät und zu heiß.“ Die Jungs sagen: "Kein Problem. Wir begleiten dich noch zum Beginn des Aufstieges." Es werden noch ein paar Foto geschossen, denn sie wollen einen vorher/nachher Vergleich haben.
Gerd gibt mir die letzten Tipps mit auf den Weg und meint das ich so drei Stunden brauchen werde. Der Meister ist aber die Strecke schon mal in einer Stunde und zwanzig Minuten gegangen. Ich wäre froh wenn ich es ohne Probleme schaffen würde.
Na dann, auf geht’s denke ich mir und marschiere los. Ich mache einige Fotos von dem Berg, der das Gesicht eines Affen haben soll. Immer wieder kommen mir Chinesen entgegen die schon fix und fertig sind. Sie lassen sich teilweise von jemanden tragen. Es gibt nämlich in bestimmten Abständen chinesische Träger, die einen weiter nach oben bringen. Mir wurde es auch angeboten, aber ich habe es höflich abgelehnt.
Auf dem Weg gibt es einige Verpflegungsstände, an denen man was zum Trinken und Essen kaufen kann. Ich werde überall wo ich hin komme höflich begrüßt, teilweise zu gar mit einer Verneigung. Das muss an meiner Kleidung liegen. Ich hab mich nämlich nicht mehr umgezogen und bin mit der traditionellen Wudang Klosterkleidung los marschiert. Wenn schon, dann richtig dachte ich mir.
Mir rennt der Schweiß herunter. Ich bin erst 45 Minuten gegangen und die Stufen werden steiler und enger, stellenweise aber auch wieder weiter. Es geht rauf und runter, runter ist mir zwar lieber, aber ich weiß, das es dafür umso steiler weiter nach oben geht.
Meine Beine sind voll mit Blut, mein Atem wird schneller und mein Herz rasst wie verrückt. Die ersten Chinesen mit Krämpfen liegen schon an den Rändern und lassen sich massieren. Ich bin gespannt, wann mir das blüht. Ich gehe weiter.
Bei dem Kampfgott bleibe ich kurz stehen und gehe in den Tempel des Drachen um eine Fackel anzuzünden. Nach einer kleinen Spende und einer Verneigung gehe ich weiter.
Nun komme ich zu einem Abzweig, links oder rechts? Ich entscheide mich für links, also den Weg des Jing. Natürlich auch hier etliche Stufen. Es ändert sich nichts an der Situation. Nach etwa einer Stunde denke ich mir, "Was hast du dir nur angetan?"
Ich laufe weiter und sehe plötzlich in der Ferne den Vortempel zum Goldenen Tempel. "Das kann doch nicht sein", denk ich mir. "Ich bin doch erst knapp über einer Stunde gelaufen und Gerd sagte doch, das ich drei Stunden brauchen werde. Komisch?" Ich gehe weiter und komme zum Vortempel, danach noch etwa 15 Minuten und ich bin am Goldenen Tempel angekommen.
Ich rufe sofort Gerd an. "Du, ich bin da!" "Wie da?", fragt er mich. "Keine Ahnung, einfach da", sage ich zu ihm. Er fragt, ob vor dem Tempel zwei Kraniche stehen. "Ja." "Dann bist du da. Du hast aber nicht lange gebraucht." Nein, das habe ich nicht. Ich war in einer Stunde und fünfunddreißig Minuten oben. Das schaut gut aus. Ich habe den Aufstieg in einer sehr schnellen Zeit geschafft und das obwohl ich ein wenig trödelte.
Ich schaue mir die Anlage an und es ist der Wahnsinn, das man so etwas auf einen Berg bauen kann. Einfach nur spektakulär und beeindruckend. Der Tempel ist von allen Seiten durch die Berge so geschützt, daß niemand diesen Bau je einnehmen konnte. Die Eroberer mussten einen schmalen Pfad hinauf gehen, welcher auch noch mit einigen Gefahren ausgestattet ist, wie giftige Spinnen, Schlangen und Tausendfüßler. Ich nehme mir etwas Zeit um die ganze Atmosphäre aufznehmen und auf mich wirken zu lassen.
Dann beginne ich mit dem Abstieg. Unten angekommen treffe mich mit Chris und Gerd in der Stadt. Chris rennt auf mich zu und drückt mich. Er fragt mich, wie es denn war. Ich erzähle den beiden alles beim Essen. Anschließend fragt mich Gerd welchen Weg ich gegangen bin. Ich sage ihm, den linken. "Aha", sagt er, "Das ist der neue Weg." Ich hätte den traditionellen Weg gehen sollen, den mit den Himmelstoren. Der sei ein bisschen schwieriger und da brauche ich natürlich länger.
"Ok", sage ich zu ihm, "dann werde ich den Goldenen Tempel das nächste Mal über rechts besteigen."
Aber erst am Mittwoch, denn morgen ist ja wieder Training.